Römische Militärstützpunkte in Magna Germania

Dieses Kapitel beschreibt römische Militärstützpunkte in Magna Germania, die bislang noch nicht von der Archäologie berücksichtigt werden (Stand Juni 2023).

3.1 Das Legionslager Aliso im heutigen Unna

3.1.1 Bestimmung des Standorts von Aliso

Römische Straßen verbanden natürlich in den allermeisten Fällen auch römische Anlagen, sowohl ziviler als auch militärischer Art. Oftmals wurden zuerst militärische Anlagen wie z.B. ein Legionslager errichtet, um die dann aber schnell auch zivile Siedlungen entstanden. Dort wohnten dann Handwerker und Händler, aber auch die Frauen und Kinder der Soldaten (Wikipedia: Legionslager). Den unter ‚2. Verkehrswege‘ dokumentierten Verlauf römischer Straßen in Magna Germania zu Grunde legend, kann man sich also in einem 2. Schritt der Dokumentation der römischen Infrastruktur in Magna Germania auf die Suche nach militärischen Einrichtungen und römischen Siedlungen machen.

Vermutlich sind viele Städte in der Hellwegzone und der Magdeburger Börde, welche an markanten Stellen von römischen Straßen liegen, durch ehemalige römische Anlagen begründet. In antiken Quellen ist aber nichts über solchen Anlagen in Magna Germania dokumentiert, und ohne weitere Anhaltpunkte gestaltet sich die Suche schwierig.

Die einzige Ausnahme bildet das Legionslager Aliso (Wikipedia: Aliso), welches im Zusammenhang mit der Varusschlacht eine wichtige Rolle spielte, und daher auch in einigen antiken Quellen erwähnt wird. Aliso, wohin die Überlebenden der Varusschlacht geflüchtet waren, wurde im Nachgang der Varusschlacht von den Germanen belagert, hielt aber der Belagerung stand. Auch unbewaffnete Männer und Frauen und Kinder hielten sich in dem Lager auf (Cassius Dio 56, 22). Erst als die Nahrungsvorräte ausgingen, mussten die Römer zum Rhein fliehen. Durch diese Angaben kann man einige Rückschlüsse auf die Lokalität von Aliso ziehen:

– Aliso als Fluchtort für die Überlebenden der Varusschlacht deutet auf einen Standort im nördlichen Germanien hin. Da die Überlebenden nicht nach Osten geflüchtet sein werden, also noch tiefer nach Germanien hinein, sondern in Richtung Rhein, kommen als Standort nur Gebiete im westlichen Provinzteil im heutigen Westfalen in Frage.

– Dass nach der Belagerung eine Flucht zum Rhein möglich war, deutet auf eine relative Nähe zum Rhein hin, was auch wieder für einen Standort im heutigen Westfalen spricht.

– Die lange und erfolglose Belagerung deutet auf eine starke Befestigung hin, es ist also zu vermuten, dass es sich bei Aliso um eine Garnison handelte.

– Da sich viele Zivilisten in dem Lager aufhielten, ist davon auszugehen, dass um das Lager herum auch eine größere zivile Siedlung angelegt war.

Zur weiteren Präzisierung des Standorts von Aliso muss man zunächst klären, wo die Stationierung einer Legion in einer Garnison Sinn gemacht hat.

Zuerst einmal haben militärische Aspekte eine Rolle gespielt. Für die Funktion der Garnison waren schnelle Kommunikationswege zum Rhein wichtig, im Kriegsfall auch dass schnelle Nachführen von weiteren Truppen vom Rhein, sowohl von Xanten (Vetera) als auch von Neuss (Novaesium), Aliso lag also an einem Verkehrsknotenpunkt der Straßen vom Rhein in die westfälische Bucht. Diese Überlegung wird auch durch die Aussage des Geschichtsschreibers Cassius Dio gestützt, dass die Germanen, als während der Belagerung von Aliso das Gerücht aufkam, Tiberius sei mit einem Heer im Anmarsch, die Anmarschwege (also Mehrzahl) im Auge behielten (Cassius Dio, 56, 22, 2b).

Eine weitere wichtige Rolle haben logistische Aspekte gespielt, das Lager musste ja auch betrieben werden, kurze Nachschubwege waren daher wichtig. Da wie unter ‚2. Verkehrswege‘ erläutert der ausgebaute Hellweg die Hauptwirtschaftsader der westfälischen Bucht war, war also auch für die Versorgung eines Legionslagers ein Standort direkt am Hellweg in der Nähe der Bördegebiete (Hellwegbörden), und damit dem landwirtschaftlichen Kerngebiet der neuen Provinz, ideal. Allerdings mussten bisweilen auch schwere Versorgungsgüter transportiert werden, was per Schiff sehr viel einfacher war als über den Landweg. Eine relative Nähe zur Hauptwasserstraße der westfälischen Bucht, der Lippe, war also auch wichtig.

Ebenfalls wichtig zu Präzisierung des Standort von Aliso ist die Berücksichtigung der Anforderungen der zivilen Siedlung.

Da das Imperium Romanum eine Agrargesellschaft war, waren die meisten seiner Bürger in der Landwirtschaft tätig, was dann auch für Aliso galt. Umso mehr, falls in Aliso auch Veteranen angesiedelt wurden, denen nach dem Ende ihrer Dienstzeit auch ein Stück Land zugeteilt wurde.
Da also die meisten Einwohner von Aliso in der Landwirtschaft tätig waren, wurde Aliso auch dort angelegt, wo diese Menschen ihre Felder bestellt haben. Um Aliso herum mussten also für die Landwirtschaft gut geeignete Böden vorhanden sein. Dieses war in den Lössgebieten der Hellwegbörde der Fall, die nach denen der Wetterau besten Böden des Imperiums aufwiesen.

Für den Standort von Aliso ergeben sich somit die folgenden Kriterien:

– Lage in der Hellwegbörde

– Lage an einem Verkehrsknotenpunkt

– möglichst geringe Entfernung zum Rhein

– möglichst geringe Entfernung zur Lippe

Die oben genannten Kriterien wären im heutigen Unna erfüllt gewesen. Unna liegt an der Kreuzung des Hellwegs mit den Straßen nach Xanten und Neuss, vom Rhein aus betrachtet am Beginn der Hellwegbörde, eine schnelle Kommunikation zum Rhein als auch kurze Nachschubwege von den Hellwegbörden waren gegeben. Durch seine Lage in der Hellwegbörde stand um Unna herum auch gutes Ackerland zur Verfügung. Andererseits lag Unna mit einer Entfernung von rund 13 km Luftlinie nah genug an der Lippe, um schwerere Versorgungsgüter vom Rhein aus eben über die Lippe und dann noch eine kurze Distanz über den Landweg zu transportieren. Zudem deutet der Name ‚Hellweg‘ selbst auch darauf hin, dass Unna an einer römsichen Signalturmkette lag, s. Kap. 1.4.

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Abb. 3.1-1: Für ein Legionslager günstige Lage Unnas an der Kreuzung der Straßen (braun) zum Rhein in Relation zu Rhein und Lippe (blau) und der Hellwegbörde (grün)

Auch gemäß der Dokumentation des frühgeschichtlichen Fernstraßennetzes in der westfälischen Bucht in Abb. 2.3-1 hätte Unna die oben beschriebenen Kriterien erfüllt, auch auf dieser Karte ist Unna vom Rhein aus gesehen der erste wichtige Verkehrsknotenpunkt in der Hellwegbörde.

3.1.2 Suche nach Anhaltspunkten für ein ehemaliges Legionslager

Es stellt sich die Frage, ob man in Unna eventuell noch Anhaltspunkte für ein ehemaliges Legionslager entdecken kann. Insbesondere das durch die Graben-Wall-Konstruktion der Außenumwehrung eines Legionslagers gegebene Hindernis und die nur wenig witterungsanfälligen gepflasterten Innenstraßen des Lagers könnten in einer konstant besiedelten Umgebung bis heute Spuren hinterlassen haben.
Tatsächlich kann man im Stadtgrundriss von Unna (Beethovenring, Käthe-Kollwitz-Ring) eine symmetrische Struktur mit parallel verlaufenden und sich rechtwinklig schneidenden Straßen erkennen, die bezüglich der Dimension und der Nähe zum Stadtzentrum (die Struktur umfasst dieses quasi) sehr auffällig und im Vergleich mit anderen westfälischen Städten einzigartig ist:

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Abb. 3.1-2: Symmetrische Struktur im Stadtgrundriss von Unna, in Dimension und Lage zum Stadtzentrum untypisch für vergleichbare Städte

Bei der oben gezeigten Struktur gibt es also einige Auffälligkeiten:

– die von einander völlig unabhängigen Straßen ‚Obere Husemannstraße‘ und ‚Westring‘ sind exakt gleich ausgerichtet, liegen also auf einer Linie

– diese Linie schneidet die Massener Straße in einem exakt rechten Winkel

– diese Linie teilt die Strecke zwischen der Kreuzung ‚Beethovenring/Massener Straße‘ und dem Marktplatz von Unna genau in der Mitte

– diese Linie verläuft auch parallel zu den Straßen ‚Beethovenring‘ und ‚Käthe-Kollwitz-Ring‘, welche die ‚Massener Straße‘ demzufolge auch in einem rechten Winkel schneiden

– die Dimension dieser Struktur ist eben so groß wie das Stadtzentrum von Unna

– die Struktur ist nord-süd bzw. west-ost ausgerichtet

Fazit: Entweder kommen hier sehr viele Zufälle zusammen, oder das ganze wurde so geplant.

3.1.3 Abbild der Strukturen von Aliso im Stadtgrundriss des heutigen Unna

Wenn die oben gezeigte Struktur geplant wurde, würde die Struktur sehr gut mit dem Abbild eines Legionslagers übereinstimmen. Die Dimension würde passen, die Größe des vermuteten Lagers gleicht anderen Lagern aus jener Zeit, z.B. dem recht gut dokumentierten Legionslager G1 in Neuss (Wikipedia: Novaesium). Die Seitenlänge des Rechtecks entspricht mit 593 m ziemlich genau 400 römischen passus (der passus war eine Standardmaßeinheit der Römer, entsprechend unserem heutigen Meter; Wikipedia: Alte Maße und Gewichte).

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Abb. 3.1-3: Legionslager Unna

Abb. 3.1-4: Legionslager (G2) Novaesium, Constantin KoenenNovaesium BJ 1904 S 33 Überarbeitung 2010

Ausgehend von Beethovenring und Käthe-Kollwitz-Ring als Teile der Außenwalls eines Legionslagers, kann man, sich an dem Modell des Pseudo-Hygin bzw. auch an dem Grundriss anderer Standlager aus dem frühen 1. Jahrhundert (z.B. Novaesium) orientierend, durch den Vergleich weiterer markanter Punkte und Straßenverläufe mit der Struktur anderer Lagers aus dieser Zeit die weitere Struktur des Legionslagers Unna und dessen Ausrichtung bestimmen.

Da die Porta Praetoria sich gemäß Wikipedia: Legionslager immer in der Mitte der dem Feind zugewandten Seite des Lagers befand, hat die Via Praetoria das Lager auch immer in der Mitte durchlaufen. Die einzig erkennbare Straße, die symmetrisch zu einer der vermuteten Außenwälle des Lagers ist, und die erkennbare Ausgänge hat, ist die Massener Straße. Da diese Ausgänge sich jedoch nicht in der Mitte des Außenwalls befinden, handelt es sich bei der Massener Straße um die Via Principalis, da die Lage dieser Via variabel war. Die Porta Praetoria hat demnach nach Süden gezeigt.

Die Länge des Lagers war wie gezeigt 400 passus (593 m), die Breite ist mit 370 passus (547 m) angenommen. Bei dieser Breite befindet sich die Via Praetoria 185 passus = 274 m vom westlichen Außenwall entfernt, und deckt sich dabei dem Modell des Pseudo-Hygin folgend recht gut mit den heutigen Straßen ‚Obere Husemannstr.‘ und ‚Westring‘:

Die Fläche des Lagers ergibt sich somit zu 593 m * 547 m = 32,5 ha. Ein Vergleich mit der Fläche des ebenfalls streng rechteckigen Legionslagers G1 in Novaesium (24 ha) zeigt, dass dass Lager für eine Legion überdimensioniert gewesen wäre. Für ein Doppellegionslager wäre es andererseits etwas zu klein (zum Vergleich: Doppellegionslager B in Novaesium, Fläche 45 ha). Ein Vergleich mit der Größe eines Auxiliarlagers (Auxiliarlager D in Novaesium, Fläche ~ 3 ha) zeigt jedoch, dass die Größe des Lagers in Unna gut dimensioniert gewesen wäre für die Stationierung einer Legion und einiger Auxiliareinheiten.

Wenn man die von Werl/Büderich kommende Straße linear fortführt, endet diese, genau die Stadtkirche von Unna durchquerend, am Platz vor der Porta Principalis Sinistra, dem heutigen Markplatz. Vermutlich ist dieser Platz auch schon zur Römerzeit ein Handelsplatz gewesen ist, wo die römischen Soldaten mit Einheimischen Geschäfte machten. Auch nach dem Abzug der Römer wurde dieser Handelsplatz beibehalten, und wurde als Markplatz damit sicher auch Ausgangspunkt der Stadtentwicklung von Unna. Daher ist vom östlichen Außenwall heute im Stadtgrundriss von Unna nichts mehr zu erkennen, der östliche Teil des Lagers wurde von dem sich um den Platz vor der Porta Principalis Sinistra herum entwickelnden Unna überlagert:

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Abb. 3.1-5: Überlagerung des östlichen Teils des Legionslagers durch das sich um den Platz vor dem Osttor / Marktplatz herum entwickelnde Unna

3.1.4 Bedeutung der Nähe eines Flusses für ein Legionslager

Die Nähe eines Flusses war vorteilhaft für ein Legionslager, sie war aber keine Voraussetzung für dessen Errichtung. Legionslager wurden vielmehr an Orten errichtet, wo die Stationierung einer Legion strategisch notwendig war. Diese strategisch wichtigen Orte lagen jedoch oftmals an Flüssen. Zum einen, weil ein Fluss eine natürliche Grenze bildete, die die Römer absichern wollten, so wie es bei den Lagern am Rhein der Fall war. Zum anderen, weil die Römer mangels befestigter Straßen entlang von Flusstälern in Gebiete vordrangen, die auf ihrem Eroberungsplan standen, so wie es bei den Lagern an der Lippe der Fall war.

Wasser war für ein Legionslager in der Form von Trink- und Gebrauchswasser natürlich sehr wichtig, aber hierfür genügte auch schon ein kleinerer Bach, bzw. war auch genügend Grundwasser ausreichend.

Bleibt die Frage offen, ob die Römer ein Legionslager ohne den Transport von Baustoffen, Ausrüstung und Lebensmitteln über einen Fluss überhaupt errichten und betreiben konnten? Dies war natürlich möglich, es kostete halt etwas mehr. Der Transport von Gütern war über einen Fluss zwar um einiges effizienter, aber über Maultiertransporte war er eben auch nicht unmöglich. In den meisten Fällen war ein durchgängiger Transport von Produktions- zu Einsatzort über Wasserwege auch gar nicht möglich, und Teilstrecken des Transportweges mussten sowieso über Land zurückgelegt werden.
Des Weiteren fiel der Transporteffizienznachteil auch nur beim Bau des Lagers so richtig ins Gewicht, als schwerere Güter/Bauteile transportiert werden mussten. Für den Betrieb des Lagers mussten dann ja nur noch Ersatzteile und Lebensmittel transportiert werden, was recht gut per Maultier und Wagen funktionierte. Der Nachteil war noch geringer, wenn die meisten Lebensmittel vor Ort produziert wurden. Aus diesem Grund war ein Lager inkl. der fast immer bei einem Lager entstehenden zivilen Siedlung nah bei großen landwirtschaftlichen Produktionsgebieten (wie denen in den Bördegebieten der westfälischen Bucht) bei einem langfristigen Betrieb sogar effizienter als ein Lager an einem Fluss, bei dem die Landwirtschaftsgebiete aber weit entfernt waren. Aliso war für einen langfristigen Betrieb vorgesehen.

Legionslager in Spanien oder Nordafrika mussten auch oft ohne Flüsse auskommen, z.B. das Legionslager in Lambaesis. Auch das Römerlager Hedemünden konnten während seines Bestehens von ca. 11 bis 7 v. Chr. nicht auf dem Flussweg versorgt werden.

 

Der Hafen von Aliso

Ein Fluss war also nicht zwingend notwendig zum Betrieb eines Legionslagers, die Nähe zu einem Fluss schadete aber auch nicht, weshalb es sich bei dem bei Lünen an der Lippe gelegenen Römerlager Beckinghausen, auch als ‚Uferkastell‘ bekannt, wahrscheinlich um den Hafen von Aliso gehandelt hat. Der über das heutige Kamen führende Weg zwischen Aliso und seinem Hafen war ebenso wie die Wege im Lager Aliso selbst wahrscheinlich befestigt und blieb aus diesem Grund so wie die Lagerwege von Aliso auch noch lange erhalten. In der auch von gallischen Elementen beeinflussten Sprache der romanischen Siedler (s. Kap. 1.5) könnte dieser Weg als ‚camminus‚ bezeichnet worden sein, aus welcher Bezeichnung dann auch der Name der Stadt Kamen entstand (11. Jhdt. ‚Camine‚).

3.1.5 Bedeutung der Graben-Wall-Konstruktion für den Erhalt der Struktur des Legionslagers

Die Graben-Wall-Konstruktion, die das Lager umgeben hat, war entscheidend für den Erhalt der Struktur des Lagers. Noch viel mehr als eine Mauer ist ein Graben eine sehr prägendes Moment für eine Landschaft. Eine Mauer ist recht schnell abgetragen, Steine braucht man immer. Einen Graben schüttet man aber nicht mal so eben zu. Man hat ja nichts davon außer einer ebenen Fläche, die man aber kurz hinter dem Graben auch ohne große Arbeit zur Verfügung hat. Deshalb bleibt sein Graben ziemlich lange erhalten und wird oft nur durch natürliche Erosion abgetragen: nichts ist beständiger als ein Loch. Wege und sich daraus entwickelnde Straßen orientieren sich an dem Graben. Bei kontinuierlicher Besiedlung bleiben die Wegen auch dann noch erhalten, wenn es den Graben schon lange nicht mehr gibt.
Auch die mit Kies und Steinen gepflasterten Straßen innerhalb eines römischen Kastells sind entscheidend für den Erhalt von dessen Struktur, da sie in einem relativ geringen Maß witterungsanfällig sind. Gepflasterte Römerstraßen existieren bis heute. Ein Beispiel für den Erhalt einer Lagerinnenstraße bis in die heutige Zeit ist das Kastell Heddesdorf, bei dem die heutige Geschwister-Scholl-Straße (ehem. Hintere Behring) dem Verlauf der via principalis entspricht.

Abb. 3.1-6: Lageplan des Kastells Heddesdorf, Robert Bodewig, ORL 01 tab 02 pic 01 Grundriss

Für Unna muss man sich das folgendermaßen vorstellen:

35 n. Chr., ungefähr 20 Jahre nach dem Rückzug der römischen Armee zur Rheingrenze und der daraus resultierenden Aufgabe von Aliso. Unna besteht aus wenigen Häusern, die sich auf den Bereich um die ehemalige Porta Principalis Sinistra bzw. den Platz davor konzentrieren. Es ist nun nur noch bzw. wieder eine kleine Station/Marktflecken am Westfälischen Hellweg. Die Fachwerkgebäude der Innenbebauung des Lagers sind zum Großteil schon in sich zusammengefallen, die ursprünglich 18 m breiten gepflasterten Via Praetoria und Via Principalis sind aber nach wie vor passierbar. Der Hellweg verläuft in Ost-West-Richtung weiterhin durch Unna, die Via Principalis wird also als Straße nach Westen weiter benutzt. Um das Lager herum verlaufen nach wie vor der Graben und der Wall, auf welchem die schweren Holzpalisaden nun langsam verrotten. Will man nun auf dem Weg nach Westen von der Massener Straße nach Norden oder Süden abbiegen, muss man entweder über die Ruinen der Innenbebauung und über den Wall klettern, oder aber man wartet bis man die Porta Principalis Dextra erreicht hat, und geht dann entlang des Grabens nach Norden oder Süden (heute Beethovenring bzw. Käthe-Kollwitz-Ring). Auf diese Art formt sich ein Weg. Und da Unna durch den Hellweg kontinuierlich besiedelt war, wurden die Wege auch beibehalten, auch als Graben und Wall durch Erosion oder Baumaßnahmen verschwunden waren.

3.1.6 Durch eine Graben-Wall-Konstruktion beeinflusste Wegebildung am Beispiel des Limes

Mit dem Limes ist ein anderes Beispiel einer Graben-Wall-Konstruktion bekannt, die sich auch nach 2000 Jahren prägend auf die Infrastruktur einer Landschaft auswirkt, oft orientieren sich heutige Wege/Straßen und Grenzgemarkungen am Verlauf des Limes:

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Abb. 3.1-7 Verlauf des Limes in Alfdorf

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Abb. 3.1-8: Verlauf des Limes in Herlikofen

3.1.7 Der Name Aliso

Das Legionslager Aliso wurde nach dem Fluss benannt, an dem es errichtet wurde, dem Elison. Cassius Dio berichtet nämlich über die Errichtung eines Legionslager am Fluss Elison: „Drusus fühlte sich nun seinerseits überlegen und legte dort, wo der Lupias (Lippe) und der Elison sich vermischen, eine Festung an und eine weitere im Land der Chatten beim Rheine selbst.“  (Wikipedia: Aliso). Das einzige Legionslager, welches von Drusus am Zusammenfluss der Lippe mit einem anderen Fluss errichtet wurde, ist das Legionslager Oberaden am Zusammenfluss von Lippe und Seseke. Daraus ergibt sich, dass dass es sich bei der Seseke um den Elison handeln muss.
Das Lager Oberaden wurde allerdings schon 8 v. Chr. wieder aufgegeben, aus diesem Grund kann es sich bei Oberaden nicht um Aliso handeln.
Das Legionslager Unna liegt allerdings in der Nähe von mehren Oberläufen von Zuflüssen der Seseke, z. B. dem Massener Bach und dem Kortelbach, es lag also zumindest im Einzugsgebiet des Elison. Da nicht bekannt ist, was für die Römer der Hauptfluss Elison war und was die Nebenflüsse, könnte es auch sein, dass das Legionslager Unna in unmittelbarer Nähe des Elison lag.

Der Name Unna

Der Zusammenhang zwischen dem Namen Elison und dem Namen Unna könnte über gallisch-romanische Einflüsse führen, s. Kap. 1.4. Der Name Elison könnte sich aus 2 Teilen zusammensetzen, einerseits aus der indoeuropäischen Wortwurzel [h]elis (Erle), andererseits aus dem gallischen Suffix für Quelle oder Gewässer, -onna; der Suffix -onna spiegelt sich heute noch in vielen Namen französischer Flüsse wieder (Garonne, Saône, Yonne).
Da Erlen oft in der Nähe von Bächen wachsen und daher auch an der Seseke ein Bewuchs mit Erlen wahrscheinlich war, könnten gallische Hilfstruppen beim Erreichen der Seseke den Namen Elisonna geprägt haben, also ‚Erlenbach‘. Da Flussnamen im Lateinischen meistens maskulin sind, wurde aus der Elisonna dann offiziell der Elison. In der Sprache der gallo-romanischen Siedler (s. Kap. 1.5) blieb der Name aber nach wie vor Elisonna, woraus sich dann im Lauf der Jahrhunderte der Name Eonna entwickelte, ähnlich wie sich aus dem antiken Name Ica-ona der heutige Name des Flusses Yonne entwickelte. Im ausgehenden 7. Jahrhundert geriet das Gebiet um Unna unter sächsischen Einfluss, und da sich 2 Vokale am Namensanfang in der sächsischen Sprache ungewohnt anhörten, entwickelte sich der Name Eonna weiter zu Unna.

Auch der Name der vom römischen Dichter Ausonius beschriebene Alisontia (heute Elzbach) auf dem Gebiet der keltischen Treverer ist wahrscheinlich keltischen Ursprung mit der Bedeutung ‚Erle‘.

3.1.8 Nachweis der Theorie

Um die Theorie nachzuweisen wäre der Fund von Überresten des Legionslagers von Vorteil. Auszugraben sein dürfte in Unna aber nicht mehr allzu viel, bzw. wäre dies auch schon längst geschehen. Auch ein Standlager wie Aliso wurde meist als Holz-Erde-Konstruktion angelegt, und dann von Zeit zu Zeit erneuert (Wikipedia: Standlager). Die Umwehrung bestand also nur aus Graben und Erdwall mit Palisaden. Davon ist außer der Kontur, an der sich die späteren Straßen der Stadt orientierten, nichts übriggeblieben. Gleichermaßen dürfte z.B. in Alfdorf unter der ‚Pfahlstraße‘ oder in Herlikofen unter der Straße ‚Am Limes‘ nichts mehr zu finden sein.
Des Weiteren berichtet Cassius Dio, dass das Lager, nachdem es nach der Varusschlacht belagert und dann von den Römern fluchtartig verlassen wurde, von den Germanen gründlich geplündert wurde (Wikipedia: Aliso): „Und sie wären alle zugrunde gegangen oder auch in Gefangenschaft geraten, wenn sich die Barbaren nicht zu sehr mit dem Erraffen der Beute aufgehalten hätten.“

Der anfängliche Ansatz war, sich dem Nachweis theoretisch anzunähern, und dafür altes Kartenmaterial von Unna zu sammeln. Die These hierbei war, dass je früher die aus Beethovenring, Käthe-Kollwitz-Ring und Massener Straße gebildete symmetrische Struktur von derartigem Ausmaß an einem Verkehrsknotenpunkt von Römerstraßen (s. Abb. 2.4-3) nachweisbar ist, desto höher auch die Wahrscheinlichkeit ist, dass auch diese Struktur römischen Ursprungs ist.
Diese Vorgehensweise war allerdings nicht zielführend, da historische Karten relativ ungenau sind, und die Aussagekraft solcher Karten dementsprechend gering ist:

Abb. 3.1-9: Unna 1840 (Tim-Online)

Der Beethovenring mit seinem markanten rechtwinkligen Aufeinandertreffen mit der Massener Straße ist allerdings schon auf der Karte von 1840 gut zu erkennen, dieses Detail scheint dem Zeichner der Karte wichtig gewesen zu sein.

Ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit der Theorie ist jedoch die Lokation der Varusschlacht direkt östlich von Unna ( s. Anhang A). Zu einem der wichtigsten Orte im Kontext der Varusschlacht, dem von Germanicus für die Gefallenen der Varusschlacht errichteten Grabhügel, besteht zudem ein geometrischer Zusammenhang, die Via Principalis von Aliso (die heutige Massener Straße) zeigt genau auf den Varus Grabhügel, dargestellt mit der roten Linie in der folgenden Grafik.

Abb. 3.1-10: Geometrie zwischen der Via Principalis von Aliso und dem Varus Grabhügel

Zum selbst ausprobieren: das TIM-Online Projekt, zu öffnen unter https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/, Extras | Import Projekt.

Mögliche römische Vermessungslinien (decumani) in Germanien: https://drive.google.com/open?id=1r1uWGdGv1Fz9D3hn8WzWP0BoOr_2OJyc&usp=sharing

3.2 Das Kastell Kreuzung Haarweg / Kriegerweg

Ähnlich wie beim Limes wäre es für die Römer auch für die militärische Sicherung der Hellwegbörde eine Doppelstrategie sinnvoll gewesen. Zum Einen durch zentrale Legionslager, die auf Grund ihrer Größe eine Machtdemonstration waren, dazu geeignet, die germanische Bevölkerung in einem weiten Umkreis einzuschüchtern. Zum Anderen durch dezentrale (Kohorten-)Kastelle, auf Grund ihrer relativ kleinen Größe leichter zu versorgen, und von denen aus die Soldaten dann vor Ort militärische Überwachung bzw. Aufklärung betreiben konnten.

Ähnlich wie beim Limes wäre es auch in der Hellwegbörde sinnvoll gewesen, diese Kastelle an den Grenzen der von den Römern beanspruchten Gebiete zu errichten, um potentielle aus dem Inneren Germaniens einfallende Feinde frühzeitig aufhalten zu können. Im Bereich der Hellwegbörden hätten dieses Kastelle damit z. B. an der Grenze zwischen der Hellwegbörde und dem nördlichen Sauerland gelegen, also auf der Haarhöhe.

Zur genaueren Bestimmung der Lokation der Kastelle hilft wieder ein Vergleich mit Limeskastellen weiter. Kastelle am Limes lagen teilweise in Sichtkontakt mit oder zumindest in der Nähe von auf Erhebungen und Hügeln angelegten hohen Wachtürmen (höher als die Standard Limes-Wachtürme), welche ihrerseits Bestandteile von Signalketten waren.
Da sich auch größere Gruppen von Feinden auf Grund der mitgeführten Ausrüstung nicht völlig ungehindert in Germanien bewegen konnten, mussten sie sich auf den bestehen Altstraßen bewegen, die sich auf Grund ihrer Eigenschaft als Hochstraßen im Lauf der Zeit als Fernverkehrswege in Germanien herauskristallisiert hatten. Daher war es sinnvoll, Kastelle an den Orten zu errichten, an denen Altstraßen die Grenzen der von den Römern beanspruchten Gebiete kreuzten, da Feinde mit hoher Wahrscheinlichkeit über diese Wege einfallen würden.
Ein Beispiel für ein Kastell in der Nähe eines (Signalketten-)Wachturms an einer Kreuzung des Limes mit einer Altstraße (Hühnerpfad) ist das Kastell Kapersburg.

Für einen Signalketten-Wachturm auf der Haarhöhe bietet sich auf Anhieb die höchste Erhebung der Haarhöhe an, die ‚Spitze Warte‘. Von einem Wachturm auf der Spitzen Warte hätte Sichtkontakt zu einem Wachturm auf der Lokation des ca. 25 km entfernten Bismarckturms bei Delecke bestanden, von welchem Sichtkontakt zu einem Wachturm auf der Lokation des ca 25 km entfernten Bismarckturms bei Strickherdicke bestanden hätte, von wo aus dann Sichtkontakt nach Unna/Aliso besteht (überprüfbar z. B. mit Google Earth). Die Spitze Warte hätte sich also für eine Kombination aus Signalketten-Wachturm und Kastell geeignet.

Bei der Spitzen Warte kreuzen auch der Kriegerweg sowie ein Ableger des Herßweges den Haarweg und damit die Grenze der für die Römer wichtigen Hellwegbörde, die Spitze Warte hätte sich also auch gut für eine Kastell zur Überwachung von Verkehrswegen aus dem Inneren Germaniens geeignet.

Der römische Geschichtsschreiber Velleius Paterculus berichtet von einem Winterlager des Tiberius an der Quelle des Flusses Julia („ad caput Juliae fluminis“). Ein Fluss der vor 2000 Jahre Julia hieß wird mit /γ/ → /g/ als Teil der 2. Lautverschiebung heute Gulia heißen, mit Albia/Elbe wird er heute Gule heißen. Das oft vorkommende Doppel-L in nordischen Sprachen (z. B. Eyjafjallajökull) beachtend könnte der Fluss ursprünglich auch Jullia oder Jullr geheißen haben, dementsprechend würde er heute Gulle heißen. Weiterhin die Verschiebung von u zu ü beachtend (z. B. in Hulis/Hüls) würde sich der Name zu Gülle weiterentwickelt hat. Nicht weit von der Spitzen Warte entfernt bei Menzel entspringt der Fluss Gülle: TIM-online MiniMap

Analog zu Hedemünden (1017 Hademinni, mögliche Übersetzung Kriegerberg), könnte auch der Ortsname Hemmern nördlich der Spitzen Warte auf die Anwesenheit der römischen Armee hindeuten (1146 Hethemere, mögliche Übersetzung Römerbrunnen), s. Kap. 1.4.
Auch für Kellinghausen wird eine Etymologie auf der Basis von hathu diskutiert: „Kaufmann, Ergänzungsband S. 79 geht von einem Sekundärstamm aus, der mit „romanisiertem Anlaut“ zu HATHU gehöre.“ (aus: Westfälisches Ortsnamenbuch, Die Ortsnamen des Kreises Soest)

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Abb. 3.2-1: Günstige Lage für einen Wachturm (grün) und eine Kastell (gelb) an der Kreuzung von Haarweg (blau), Kriegerweg (lila) und Herßweg (rot) 

Ein römisches Kastell bei der Spitzen Warte wäre eine Holz-Erde-Konstruktion gewesen, die vor 2000 Jahren für ca. 10 bis 15 Jahre in Betrieb war, entsprechend rar dürften Funde in der Form von Artefakten in diesem Bereich sein. Ähnlich wie beim Römerlager Kneblinghausendürften auch in diesem Fall die Graben-Wall-Anlage und Pfostenlöcher der Fachwerkbauten des möglichen Kastells die einzigen Spuren sein, die noch heute auf ein Kastell hindeuten. Da die Überreste einer Graben-Wall-Anlage auf Grund der Größe heute noch am besten zu erkennen sein müssten, sollte sich die Suche nach archäologischen Beweisen für ein Kastell bei der Spitzen Warte zunächst darauf konzentrieren. Füe römische Kastelle gilt, dass die Lagerumwehrung sehr häufig rechteckig war mit zumeist abgerundeten Ecken, in denen Wachtürme standen. (Wikipedia: Römisches Militärlager)

Die nachfolgenden, auf einer Ackerfläche zwischen Kellinghausen und Hemmern an der Spitzen Warte dokumentierten und auch auf Google Maps ansatzweise erkennbaren Bewuchsmerkmale könnten auf eine Graben-Wall-Anlage hindeuten. Eine Überprüfung mit dem Besitzer der Ackerfläche ergab, dass eine neuzeitlich Nutzung (Gebäude, Silagen) des Geländes als Ursache für die Bewuchsmerkmale ausgeschlossen werden kann.

Abb. 3.2-2: Bewuchsmerkmale zwischen Kellinghausen und Hemmern (April 2014)

Abb. 3.2-3: Bewuchsmerkmale zwischen Kellinghausen und Hemmern (April 2014)

Abb. 3.2-4: Bewuchsmerkmale zwischen Kellinghausen und Hemmern (Juli 2014)

Abb. 3.2-5: Bewuchsmerkmale zwischen Kellinghausen und Hemmern (Juli 2014)

Abb. 3.2-6: Bewuchsmerkmale zwischen Kellinghausen und Hemmern (Juli 2015)

Die in Abb. 3.2-5 erkennbaren unterschiedlichen Reifegrade des Getreides deuten auf unterschiedliche Bodenqualitäten hin. Da die Bewuchsmerkmale scharf abgegrenzt und geometrisch sind, sind auch die Bodenqualitäten bzw. die Böden scharf geometrisch abgegrenzt. Eine solche Abgrenzung kann nicht durch natürliche Erosion entstehen und wurde daher künstlich herbeigeführt. Eine Erklärung hierfür bietet die Topografie des Feldes, die darauf hindeutet, dass in diesem Bereich durch das Ab- oder/und Auftragen von Erde eine ebene Fläche hergestellt wurde:

Abb. 3.2-7: Topografie südlich von Kellinghausen (TIM-online)

Eine magnetische Prospektion des Geländes erbrachte das folgende Ergebnis:

Abb. 3.2-8: Magnetische Prospektion Kellinghausen, Lage der Untersuchungsfläche

Abb. 3.2-9: Magnetische Prospektion Kellinghausen, Magnetogramm (als Google Earth Datei – Google Earth installieren und auf das heruntergeladene File klicken)

Abb. 3.2-10: Magnetische Prospektion Kellinghausen, Interpretation (als Google Earth Datei – Google Earth installieren und auf das heruntergeladene File klicken)

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte kein Interesse an der Auswertung der Ergebnisse der magnetischen Prospektion:

Die Suche nach Ansprechpartnern für die Auswertung der geomagnetischen Vermessung.

3.3 Das Römerlager Oesterholz

Vom Römerlager Sennestadt aus in südlicher Richtung entlang des Senner Hellwegs (Sennerandstraße) in einer Entfernung von 15 römischen Meilen (22,2 km), welche der durchschnittlichen Tagesmarschdistanz einer römischen Legion entspricht, gibt es bei Oesterholz Überreste eines weiteren römischen Lagers. Das Römerlager Oesterholz liegt an der Kreuzung der Nord-Süd-Straße Senner Hellweg (Sennerandstraße) mit der West-Ost-Straße Westfälischer Hellweg. Dass diese Straßen auch schon von den Römern genutzt wurden zeigen das Römerlager Sennestadt am Senner Hellweg und der Hohlweg Große Egge (hier wurden vor der Neuzeit von einer Wagenflotte deren Achsen eine normierte Spurbreite von 1,40 m aufwiesen Gleisspuren in den Fels geschliffen) als Teil des Westfälischen Hellwegs.
Von dem Römerlager ist heute nur noch der nordwestliche Teil zu erkennen, und dies auch nur mittels Digitaler Geländemodell (DGM) Karten, wie z. B. der von TIM-online bereitgestellten:

Abb. 3.3-1: Nordwestlicher Wall  des Römerlagers Oesterholz in der DGM Ansicht (TIM-online) mit der markanten abgerundeten Ecke

Die Dimension des Walls gleicht der des am Senner Hellweg 15 römische Meilen (=22,2 km) weiter nördlich gelegenen Römerlagers Sennestadt:

Abb. 3.3-2: Vergleich der Abmessungen der Wälle vom Römerlager Sennestadt und Römerlager Oesterholz (TIM-online)

Zum Download: das entsprechende TIM-Online Projekt, zu öffnen unter https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/, Extras | Import Projekt.

Die Google Map mit dem markierten Wall des Römerlagers Oesterholz:

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Abb. 3.3-3: Google Map mit markiertem Wall des Römerlagers Oesterholz (Link)

Mit bloßem Auge ist vor Ort nichts mehr von dem Wall zu erkennen:

Abb. 3.3-4: Römerlager Oesterholz westlicher Wall (gelb-rot markiert), Blick von südlichen Ende des noch erhaltenen Walls in nördliche Richtung

Abb. 3.3-5: Römerlager Oesterholz westlicher Wall (gelb-rot markiert), Blick von der abgerundeten Ecke des noch erhaltenen Walls in südliche Richtung

Abb. 3.3-6: Römerlager Oesterholz nördlicher Wall (gelb-rot markiert), Blick von der abgerundeten Ecke des noch erhaltenen Walls in östliche Richtung

Abb. 3.3-7: Noch erhaltener Wall des Römerlagers Oesterholz

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Vid. 3.3-1: Wall des Römerlagers Oesterholz, Blick von der abgerundeten Ecke, von südlicher Richtung in östliche Richtung schwenkend

Der südliche Teil des Lagers ist überpflügt, ein Schicksal welches das Römerlager Oesterholz mit den allermeisten Römerlagern in Germanien teilen dürfte. Am Ende des noch erkennbaren Teil des nördlichen Walls beginnt das Gelände spürbar nach Osten anzusteigen, evtl. wurde der Wall hier viel stärker durch die Erosion abgetragen (Flussbewegung des Erdreichs in Hanglage) und ist dadurch im DGM nicht mehr darstellbar.

3.4 Das Römerlager bei Vierhausen am Haarweg

Wie in Kap. 2.3 diskutiert war der Haarweg am nördlichen Rand der Hellwegbörde ein wichtiger Fernweg für die Römer. Die Wahl von Neuss als erstem römischen Militärstützpunkt am nördlichen Rhein (Legionslager Novaesium) deutet darauf hin, dass die bei Neuss beginnende Altstraße Neuss-Herdecke und der Haarweg als Verlängerung die erste und wichtigste Aufmarschroute der Römer nördlich der deutschen Mittelgebirge war.
Hinweise auf ein römisches Lager am Haarweg finden sich bei Vierhausen südlich von Werl. Dort erkennt man Bewuchsmerkmale, die ein für den Spitzgraben eines Römerlagers typisches Rechteck im Spielkartenformat (207 m x 130 m) mit abgerundeten Ecken bilden. Im westlichen Wall des Lagers ist wahrscheinlich ein Clavicula-Tor zu erkennen.

Abb. 3.4-1: Bewuchsmerkmale Römerlager Vierhausen am Haarweg (Google Earth Datei)

Abb. 3.4-2: Bewuchsmerkmale Römerlager Vierhausen am Haarweg (Google Earth Datei)

Abb. 3.4-3: Bewuchsmerkmale Römerlager Vierhausen, Clavicula-Tor (Google Earth Datei)

Abb. 3.4-4: Römerlager Vierhausen am Haarweg, Blick vom Haarweg über das Gelände des Lagers in Richtung Norden

Abb. 3.4-5: Römerlager Vierhausen am Haarweg, Blick von der Kreisstraße 30 über das Gelände des Lagers in Richtung Osten

Das Römerlager bei Vierhausen entspricht mit seiner Größe und mit seiner Lage am nördlichen Hang eines Fernweges dem Römerlager bei Wederath (Seitenlängen 210 m x 148 m). Beim Römerlager Wederath geht man aufgrund seiner Größe von ca. 3 ha von einer Belegung mit 2 Kohorten aus, was eher auf eine Bau- oder Pioniereinheit als auf eine Kampfeinheit hindeutet. Dies wiederum deutet darauf hin, dass die Römer den Haarweg als Verkehrsweg ins Innere Germaniens häufig nutzen, und ihn während der Okkupationszeit ihren Anforderungen entsprechend ausbauten.
Da der Haarweg die Verlängerung des in der Wuppertaler Senke errichteten Dammweges ‚Pontes Longi‘ (s. Kap. 2.3) ist, dürfte auch der Ausbau des Haarweges im zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der Pontes Longi stehen, so dass für die Errichtung des Baulagers am Haarweg eine Zeitstellung um das Jahr 0 zu erwarten ist.
Das Römerlager bei Vierhausen zeigt, dass der Ausbau der Provinz Magna Germania im Bereich der westfälischen Bucht vor der Varusschlacht im Jahr 9 n. Chr. und dem nachfolgenden römischen Rückzug zum Rhein bereits weit vorangeschritten war.