Magna Germania im Jahr 9
1. Magna
Germania im Jahr 9 n. Chr.
1.1
Die Motivation der Römer für die Okkupation Germaniens
1.2
Die großen Löss-Ebenen Germaniens als vorrangige
Okkupationsziele
1.3 Die
Hellwegbörde als landwirtschaftlich und verkehrstechnisch
erschlossene
Kulturlandschaft
1.4
Die gallo-romanische Kolonisierung des rechtsrheinischen Germaniens
1.5 Gallo-romanische Siedler in Magna Germania nach der Okkupation
Die römische Provinz Magna Germania war vor dem
Rückzug der
Römer als Folge der Varusschlacht noch nicht
zusammenhängend,
die Römer hatten Germanien nur gebietsweise unter ihre
Kontrolle
gebracht (Cassius Dio: "Die Römer besaßen zwar
einige Teile
dieses Landes, doch kein zusammenhängendes Gebiet, sondern wie
sie
es gerade zufällig erobert hatten...",
Wikipedia: Cassius Dio über
Germanien vor der Varusschlacht).
Bei der Suche nach den Überresten der römischen
Infrastruktur
stellt sich daher als erstes die Frage, wo die
unzusammenhängenden
Gebiete lagen, die Cassius Dio erwähnt hat. Zur Beantwortung
dieser Frage muss man aber zunächst noch eine andere Frage
klären: Was wollten die Römer eigentlich in Germanien?
Wie alle europäischen Gesellschaften zwischen der
neolithischen Revolution (Beginn von Ackerbau und Viehzucht) und der
industriellen Revolution war auch das Imperium Romanum eine
Agrargesellschaft, wenige kleinere Städte waren jeweils in ein
agrarisch geprägtes Umfeld eingebettet, welches die
Städte mit Lebensmitteln versorgte (Wikipedia:
Agrargesellschaft). In einer
Agrargesellschaft ist der Boden als landwirtschaftliche
Nutzfläche der wichtigste Produktionsfaktor, die
Römer waren also in erster Linie an gutem Ackerland
interessiert.
Des Weiteren waren die Römer auch an den Rohstoffen Germaniens
interessiert, besonders an den Eisenerz- und Bleivorkommen, an denen
Germanien relativ reich war. Das in den
Rennöfen
der Antike am besten zu verhüttende Erz war
Hämatit
(Wikipedia:
Geschichte des Limonit). Eine
Übersicht der
Hämatitvorkommen
zeigt, dass die deutschen Mittelgebirge im Allgemeinen und im
Speziellen auch das nördliche Sauerland reich an
Hämatitvorkommen sind.
Das Sauerland als Teil des rheinischen Schiefergebirges weist in
diversen Verdichtungszonen verschiedene abbauwürdige
Nichteisenmetalle wie Blei, Zink und Kupfer auf. Dazu gehören
die Reviere um Brilon, Marsberg, Ramsbeck und Olpe. Braun- und
Roteisenerz kommt dagegen fast in der gesamten Region vor. Neben dem
Erz bieten die zahlreichen Flüsse und Bäche gute
Voraussetzungen zur Nutzung der Wasserkraft. Das Holz der
Wälder, verarbeitet zu Holzkohle, kann zur Erzschmelze genutzt
werden. (Wikipedia:
Bergbau im Sauerland)
Germanisches Blei (Plumbum Germanicum) war im Mittelmeerraum bekannt
(Wikipedia:
Geschichte Brilons),
Bleibarren aus der der frühen römischen Kaiserzeit
wurden in Balve gefunden, eine Produktionskette von Bleigewinnung im
nördlichen Sauerland und Bleiverarbeitung in der
Hellwegbörde ist wahrscheinlich (LWL:
Römisch-Germanische Bleiwirtschaft
in Westfalen).
Datierbare Funde, die einen eindeutigen Beweis für
Eisenerzabbau in den Okkupationszeit darstellen würden, gibt
es nicht (Wikipedia:
Antiker Bergbau im Sauerland). Es
gibt im nördlichen Sauerland jedoch viele Pingen, die auf ein
hohes Alter hindeuten.

Abb. 1.1-1: Große Pinge der aufgelassenen
Eisenerzgrube 'Rom'
im NSG Oberhagen, Warstein (Wikipedia)
Nach oben.
1.2
Die großen Löss-Ebenen Germaniens als
vorrangige Okkupationsziele
Je besser die
Böden, desto interessanter waren
die Gebiete für die Römer. Wo diese Gebiete in
Germanien zu finden waren, erkennt man auf der
Bodenübersichtskarte von Deutschland:

Abb. 1.2-1:
Bodenübersichtskarte Deutschland 1
: 5 000 000 (Umweltbundesamt), in schwarz eingezeichnet der
Limes
Die für den Ackerbau am besten geeigneten
Böden sind hierbei die Lössböden (Wikipedia:
Löss), die beste
Qualität hat der schwarze Lössboden (Wikipedia:
Schwarzerde).
In der neuen Provinz zwischen Rhein und Elbe waren nördlich
der Mittelgebirgen also die
Hellwegbörden, die
Lössgebiete des
Weserberglands, die
Hildesheimer Börde, und
vor allen Dingen die
Magdeburger Börde und das
Thüringer Becken von
Interesse.
Südlich der Mittelgebirge sind vor allen Dingen im Gebiet in
und um die Wetterau die besten Böden zu finden. Die
Ausbuchtung
des Limes zum Umschließen der Wetterau war zwar die
Grenzsicherung betreffend sehr ungünstig, zeigt aber, wie
wichtig
dem Imperium Romanum die Lössebenen Germaniens waren.

Abb. 1.2-2: Römische Provinz Magna Germania mit
landwirtschaftlichen
Kerngebieten, ungefähre Ausdehnung 9 n. Chr.
Wie ein Vergleich mit der Bodenübersichtskarte von Europa
zeigt,
waren Böden mit der Qualität derer der Magdeburger
Börde
und des Thüringer Beckens extrem rar im Imperium:

Abb. 1.2-3:
Bodenübersichtskarte Europa
(Europäische Kommission)
Auf Grund der sehr guten Bodenqualität war dort die
Landwirtschaft
schon mit den in der Antike zur Verfügung stehenden
landwirtschaftlichen Geräten sehr effizient. Eben so wie heute
auf
Schwarzerdeböden regelmäßig sehr gute
Ernten erzielt
werden (z. B. in der
Hildesheimer Börde),
galt das für die Antike mit den damals zur Verfügung
stehenden Anbaumethoden im Verhältnis gesehen
natürlich
auch: eine Kultur, die die
Muße hat, die
Himmelsscheibe von Nebra
herzustellen, leidet nicht unter Nahrungsmittelmangel.
Ein Vergleich mit dem heutigen Frankreich auf der Karte zeigt, dass
es auch in der
römischen
Provinz Gallien
keine vergleichbar leicht zu bearbeitenden Böden gab. Daher
war es
den Römern in Germanien zumindest in den
Bördegebieten Germaniens sehr
viel schneller möglich, die Landwirtschaft aufzubauen und zu
intensivieren.
Neben den einzunehmenden Steuern war aber auch das Land als solches
für die Römer von Interesse, als sehr attraktives
Ackerland
vor allem für Legionäre im Ruhestand (Veteranen
wurden nach
ihrem in der Regel 16-jährigen Dienst vom Staat versorgt und
bekamen ein Stück Land zugeteilt; Wikipedia:
Römische Legion); eine
zufriedene Armee kann zumindest als ein indirekter wirtschaftlicher
Vorteil angesehen werden.
Die Errichtung einer neuen 'Kornkammer' in Germanien hätte
auch den Vorteil gehabt, dass diese in einer Klimazone lag, die sich
von der Klimazone des Mittelmeerraums grundsätzlich
unterschied und über sehr viel konstantere
Niederschläge verfügte. Bei einer Dürre im
Mittelmeerraum hätten Getreidelieferungen aus Germanien
Defizite bei Lieferungen z. B. aus Nordafrika ausgleichen
können. Auch bei der Versorgung der Legionen nördlich
der Alpen hätten Transportkosten eingespart werden
können, wenn die Legionen nicht mehr auf Kornlieferungen aus
dem Mittelmeeraum angewiesen gewesen wären.
Nach oben.
1.3
Die Hellwegbörde als landwirtschaftlich und verkehrstechnisch
erschlossene
Kulturlandschaft
In den oben
aufgeführten Gebieten
begann die
Provinzialisierung also. Es bleibt die Frage offen, woher die
Römer wussten, dass es in
den
Bördegebieten Germaniens so gute Böden gab. Ganz
einfach
deshalb, weil dort schon Landwirtschaft in großem Umfang
betrieben wurde. Auf Grund der leicht zu bearbeitenden Böden
gehörten Lössgebiete zu den ersten landwirtschaftlich
genutzten Flächen in Europa (Wikipedia:
Beginn der Landwirtschaft in Europa).
Zudem bestätigen Analysen von Pollen aus dieser Zeit, dass
zumindest die Bördelandschaften Westfalens zu
dieser
Zeit schon weithin erschlossene landwirtschaftliche
Kulturlandschaften waren (LWL:
Westfalen zur Zeit der Germanen und
Römer).
Von einer entsprechend hohen Besiedlungsdichte in Magna Germania muss
ausgegangen werden (
Sonderdrucke
aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Heiko Steuer zur
Besiedlungsdichte, Bevölkerungsgrößen und
Heeresstärken während der älteren
Römischen
Kaiserzeit in der Germania Magna).
Ähnliches galt auf Grund der noch besseren Böden
natürlich auch für die Magdeburger Börde,
s.o.
Nach oben.
1.4 Die gallo-romanische Kolonisierung des rechtsrheinischen Germaniens
Gallo-romanische Einwanderer in Germanien nach dem gallischen Krieg
Der gallische Krieg verursachte große Veränderungen in den
politischen Strukturen Nordwesteuropas. Gallien wurde in eine
römische Provinz transformiert, und auch in den Gebieten links und
rechts des Rheins nahm die Bedrohung durch die Römer zu,
während des gallischen Krieges überquerte Julius Caesar 2 mal
den Rhein. Einige Stämme wanderten ab, der Rest lebte in einer
Atmoshäre der Unsicherheit und des immer größer
werdenden Einflusses der Römer.
Zur gleichen Zeit gab es in Gallien eine Gruppe entwurzelter Menschen,
keltische (iberische, gallische) Auxiliartruppen der Römer, deren
Anzahl nach dem Ende des Krieges erheblich reduziert werden konnte, und
die nun quasi arbeitslos waren. Diese keltischen Auxiliare hatten eine
große Zeit ihres Lebens für die Römer gekämpft,
erhielten nach Ende ihrer Dienstzeit anders als die römischen
Legionäre aber kein Land zugeteilt. Für die Auxiliarveteranen
aus dem gallischen Krieg war es daher verlockend, die unsicheren
politischen Verhältnisse am Rhein jener Zeit auszunutzen, und das
dortige Land - teilweise mit Waffengewalt - zu besetzen. Dies geschah
vorzugsweise rechts des Rheins, wo der Einfluss der Römer noch
nicht sehr groß war.
Der römische Geschichstschreiber Tacitus berichtet in dem Werk
Germania
(29, 4) auch von gallischen Einwanderen rechts des Rheins, die die
unklaren Besitzverhältnisse dort ausnutzen und das Land besetzten.
Tacitus bezeichnet diese Einwanderer als leichtfertig und verwegen,
heute würde man sie als Abenteurer oder Glückritter
bezeichnen. Solche Gruppen zeichnen sich zumeist durch den
rücksichtslosen Einsatz von Waffengewalt aus
:
die einheimische germanische Bevölkerung war mit schwerbewaffneten
keltischen bzw. durch ihren langen Dienst als Auxiliarsoldaten
romanisierten Einwanderern konfrontiert.
Der Name den die einheimische germanische Bevölkerung den
gallo-romanischen Einwanderen gab lässt sich aus deren
Hauptqualifikation ableiten, die Einwanderer
stellten sich den Germanen in erster Linie als hervorragende
'Kämpfer' dar. In einer Kultur, in der fast jeder Name den Kampf
reflektiert (z.
B.
Hildegard,
Gunther),
könnte sich die
Hauptbeschäftigung der Einwanderer also in deren Bezeichnung widergespiegelt haben.
Die gallo-romanischen Einwanderer könnten den Germanen also als 'Kämpfer' bzw. 'Kampfmänner' bekannt gewesen
sein. Das germanische Wortz für Kampf war '
hadu', das germanische Wort für Mann war '
ware'
bzw. 'uuare', die Einwanderer dürften also als 'Haduwaren'
bzw. 'Haduarier' bezeichnet worden sein. Da die allermeisten der Einwanderer aus Gallien stammten dürfte dies
auch neben dem Selbstverständnis aus der Selbstbezeichnung der Einwanderer entsprochen haben, das
gallo-romanische Wort für Kämpfer war '
catarius', basierend auf den keltischen Wort 'catu' (Kampf, vergl.
Caen)
und '
viros' (Mann). Die Selbstbezeichnung 'Catuarier' könnten von
den Germanen quasi auch als Fremdwort übernommen und parallel zu 'Haduarier' verwendet worden sein, oder
''Catuarier' könnte - von einem fließenden Übergang
zwischen germanischen und keltischen Dialekten ausgehend -
rechtrheinisch in Rheinnähe auch die native Bezeichnung für
die Einwanderer gewesen sein.
Die germanische Bezeichnung für die römischen Auxiliartruppen in Germanien
Während der Okkupationszeit geriet das rechtrheinische Germanien
mehr und mehr unter die Kontrolle des römischen Reiches, von den
Römern bzw. den römischen Legionen selbst nahmen die
allermeisten Germanen aber kaum etwas wahr. Der Grund hierfür ist,
dass zur Befriedung und Überwachung der Provinzen die
Auxiliartruppen, welche die Hälfte der römischen
Streitkräfte stellten, in kleinen Einheiten in der Fläche
eingesetzt wurden, während die Legionen zentral in den
großen Legionslagern stationiert waren (Wikipedia:
Römische Auxiliartruppen).
Da am Rhein zur Okkupationszeit insgesamt 6 römische Legionen mit
einer nominellen Truppenstärke von je 5000 Mann stationiert waren,
kann man auch von ca. 25.000 bis 30.000 Auxiliarsoldaten ausgehen, die
in Germanien stationiert waren. Mit dieser Besatzungsarmee aus
Auxiliarsoldaten standen die Germanen in täglichem Kontakt,
für die Germanen waren die Auxiliartruppen die Schnittstelle zum
römischen Imperium, sie setzten die Auxiliartruppen mit den
Römern gleich.
Andererseits unterschieden sich die Auxiliartruppen in Sprache und
Bewaffnung kaum von den Gallo-Romanen die nach dem gallischen Krieg in
Germanien eingewandert waren. Es ist daher naheliegend, dass sich die
Bezeichnung für die gallo-romanischen Einwanderer auf die
gallo-romanischen Auxiliartruppen übertrug, und auf Grund ihrer
Funktion als Repräsentanten Roms dann auch auf die allgemeine
Bezeichnung für Römer übertrug.
Dass die Auxiliartruppen als
Repräsentanten des römischen Reiches als 'Römer'
(romuuari) bezeichnet wurden ist nicht anzunehmen. Der
großen Mehrheit der in Stammesverbänden lebenden
germanischen Bevölkerung war das abstrakte Konzept des
römischen Bürgerrechts
völlig unbekannt, für sie wäre ein
'Römer' jemand
gewesen, der aus der Stadt Rom kommt. Dann ist es zum Einen unklar, ob
die Stadt Rom der Mehrheit der
rechtsrheinischen Bevölkerung
überhaupt schon bekannt war, zum Anderen kamen die Auxiliartruppen nicht aus Rom.
Die Germanen kamen also hauptsächlich mit Soldaten in Kontakt aus den
römischen Provinzen stammten, oder aus Germanien selbst (wie z. B.
Arminius). Es erscheint unwahrscheinlich, dass Germanen andere Germanen
als 'aus der Stadt Rom stammend' bezeichnet hätten.
Erst später haben die Germanen das Konzept des Imperium Romanum und
des
römischen Bürgerrechts (also das Konzept eines
Territorialstaates) dann auch verstanden, und die Bezeichnung
'Römer' entstand.
Die gallo-romanische Kolonisierung Germaniens im Rahmen der Okkupation
Wie oben diskutiert betrug die Anzahl der Auxiliartruppen in Germanien
ungefähr 25.000 Mann, hauptsächlich gallo-romanischer
Herkunft. Bei einer Dienstzeit von 25 Jahren gab es während der
auch rund 25 Jahre andauernden Einrichtung einer römischen Provinz
rechts des Rheins von ca. 14 v. Chr. bis 9 n. Chr. demnach auch ca.
25.000 Veteranen der Auxiliartruppen. Von einer Landvergabe an
Veteranen der Auxiliartruppen in größerem Umfang ist den
antiken Quellen nichts zu entnehmen, da die gallo-romanischen
Auxiliarsoldaten aber fast ihr gesamtes Leben in Germanien verbracht
haben und während ihrer Dienstzeit in Germanien landwirtschaftlich
hervorragend geeignete Gebiete kennengelernt hatten, ist davon
auszugehen, dass viele Auxiliarsoldaten nicht nach Gallien
zurückgingen, sondern sich ein Stück Land in Germanien
gesichert hatten (zumal wie oben diskutiert zumindest in Rheinnähe
schon viele Gallo-Romanen lebten und der zweiten Welle von
einwandernden Landsleuten die Landnahme erleichterten). Dies geschah
parallel zur Dienstzeit der Auxiliare,
einhergehend mit der Gründung einer Familie, für was es nach
dem Ende der Dienstzeit zu spät gewesen wäre.
Aus soziologischen Gründen und Gründen des gegenseitigen
Schutzes vor der benachbarten und teilweise feindlich gesinnten
germanischen Bevölkerung erfolgte die gallo-romanische Landnahme
in Germanien in zusammenhängenden Gebieten. Germanien wurde
gallo-romanisch kolonisiert. Wenn man vorsichtigt schätzt und
davon ausgeht dass ca. 15.000 Auxiliare in Germanien blieben, ergibt
das zusammen mit den Ehefrauen und Kindern eine Zahl von ca.
30.000 bis 50.000 gallo-romanischen Kolonisten der zweiten
Einwanderungswelle rechts des Rheins, zusammen mit der ersten
Einwanderungswelle könnten bis zu 100.000 gallo-romanische
Einwanderer zwischen Rhein und Elbe gelebt haben. Eine
derart große Bevölkerungsgruppe der Haduarier bzw. Catuarier
müsste sich in den antiken Quellen wiederspiegeln.
Tatsächlich berichten die römischen Geschichtsschreiber dass
es von Hessen über das Münsterland bis zum Niederrhein eine
solche Gruppe gab: die
Chattuarier.
Eine Möglichkeit des Auffindens von Orten, an denen sich die
Chattuarier aufgehalten haben,
sind
Orts- und Flurnamen, die nach ihnen benannt wurden. Dies sind sowohl
strategische Orte wie Anhöhen an in der Antike wichtigen
Wegeskreuzungen oder Furten, an denen die Auxiliartruppen stationiert
waren, oder auch die Siedlungsplätze der gallo-romanischen
Kolonisten.
Heden/Heiden
als Bezeichnung für die Auxiliartruppen
Eines der germanischen Worte für Kampf war
‚hadu‘ (Hathumar = der im Kampf berühmte,
Wikipedia:
Hathumar),
auch in der Abwandlung ‚hethe‘ (Hemmern [1146
Hethemere] = das Dorf am Streitborn, Wikipedia:
Hemmern).
Ein bekannter Ort, wo sich die römischen Auxiliartruppen aufgehalten
haben, ist das Römerlager Hedemünden. Wenn
man
hede
mit
Kampf
übersetzt, und
münden
mit
Berg
(germanisch *-munt mit der Bedeutung Berg / Hügel /
Anhöhe / Erhebung, Wikipedia:
Dortmund Ortsname), dann ist
Hedemünden ein 'Kampfberg‘ oder Kriegsberg, womit
man einen Berg mit einem Militärlager bezeichnen
könnte, was mit der Lokation des
Römerlagers Hedemünden übereinstimmt.
Der Wortstamm
hed-
ist auch im Bestimmungswort der Ortsnamen weiterer Orte zu erkennen,
die
auf römische Militärlager bzw. auf die zivilen
Siedlungen der
Lager zurückgehen:
Heddesdorf
(Kohortenkastell, 962
Hedenesthorp),
Heddernheim (Civitas Hauptort;
1132 Hetdernheim),
Heidenheim (Kastell,
8. Jahrhundert Heidenheim),
Heidenberg (Limeskastell),
Heidenburg (römisches
Bergkastell),
Heidekringen (römisches
Kastell), usw. Auch die
Heidenköpfe unmittelbar
an der Römerstraße Trier-Köln
dürften in diesen Kontext einzuordnen sein.
Der Begriff
Hede
oder
Heide
könnte also ursprünglich die Römer
und ihre Auxiliare bezeichnet haben, die Entwicklung von
Hede zu
Heide ist gut zu
erkennen beim Ortsnamen Heddernheim, 1132 Hedternheim, 1248
Heidersheim, s.o. Das
Wissen um die Anwesenheit der Römer in Germanien schwand
jedoch im
Laufe der Jahrhunderte, und die Bedeutung des Begriffs
Heide
reduzierte sich bis zum frühen Mittelalter auf eine
Personengruppe, die vor langer Zeit in Germanien lebte. Damit lebten
diese Menschen vor der Christianisierung in Germanien, sie waren also
keine Christen, sondern
Heiden.
Ab dem Mittelalter wurden dann sämtliche Nichtchristen als
Heiden bezeichnet.
Zum Vergleich: im Altenglischen wurden die kriegerischen Wikinger auch
als
hethen
men (Heiden) bezeichnet.
Auch der Wortstamm
hild-
bezeiht sich auf den heutigen Begriff
Kampf (Wiktionary:
Hildegard).
Eventuell könnten Ortsnamen wie
Hildburghausen,
Römhild,
Hiltrup
oder
Hildesheim
damit in Zusammenhang stehen und auf eine römische
Vorgeschichte hindeuten.
Katten als
Bezeichnung für die Auxiliartruppen
Wie oben diskutiert könnte von der rechtrheinischen Bevölkurg
neben dem Ausdruck Chattuarier auch Cattuarier als Lehnwort aus dem
Keltischen verwendet worden sein, oder aus
Chattu wurde auf Grund des durch die vielen gallo-romansichen Einwanderer nun relativ großen keltischen Sprachsubstrates
Cattu. Aus diesem Grund könnten
dann auch Ortsnamen auf 'Katt-' entstanden sein, z. B. Kattwig
(
Kettwig (1052
Katuuik),
Kattwyk,
Katwijk,
Catwick), Kattenwinkel (z. B.
Adorf,
Hameln,
Zwolle), Katwinkel (12. Jahrh.
Kathwinkel) oder Kattenhagen (z.
B.
Bochum,
Brilon,
Münster,
Groningen),
Cattenom (1182
Cathenem),
Kattenbrücke.
Der Ortsname
Kattenvenne
(836 Hadunveni, 1312 Kattenvenne) deutet darauf hin, dass im
frühen Mittelalter die Wortstämme 'hadu' und 'catu'
noch
gleichbedeutend und parallel verwendet wurden, und somit gegeneinander
austauschbar waren. Die Römer und die Auxiliartruppen
könnten also auch
Katten,
also als
'Krieger' oder 'die Kriegerischen' bezeichnet worden sein.
Auf Grund der Ähnlichkeit des chattischen Namens
Catumar mit dem
allgemeingermanischen Namen
Hathumar
ist es wahrscheinlich, dass auch der Name der
Chatten selbst mit
Hadu/Hathu in Relation steht, dass also auch der Namen
Chatten 'die
Kriegerischen' bedeutet. Auch der römische Schriftsteller
Tacitus
beschreibt die militärische Disziplin und Organisation der
Chatten
im Vergleich zu anderen germanischen Stämmen als
außergewöhnlich (Wikipedia:
Tacitus über die Chatten).
Aus Katt- wurde während der
2. Lautverschiebung
dann in Phase 2
Katz-.
So könnte dann auch der oft vorkommende Ortsname
Kassberg und auch
der
Ortsname
Castrop
auf eine römische Vorgeschichte hindeuten, ebenso wie
dieses bei der
spätrömischen
Befestigungsanlage Katzenberg, der
Burg Katzenstein, den
Katzensteinen, der
Burg Lohra oder der
Kattenburg
(
Kassenburg,
Katzenburg)
der Fall sein könnte.
Der Übergang von
Kath-
zu
Kess-
ist beim
Ortsnamen von
Kesseler
zu erkennen: 1183 Katheslere, 1198 Catislare, 1200 Katteslare, 1214
Katteslere,1221 Keteslere, 1221 Ketteslare, 1246 Ketteslere, 1264
Ketteslare, 1276 Katteslere, 13. JH. Keslere, 1303 Kezlere, 1308
Ketzeler, 14. JH. Keteslere, 1360 Kettesler, 1446 Kesleren, 15. JH.
Ketteslere, 1823 Kesseler (
Die Ortsnamen des Kreises Soest).
Der Übergang von
Kath-
zu
Katz-
ist beim Ortsnamen der Wüstung
Katwinkel
zu erkennen: 12. JH. Kathwinkel, 13. JH. Catwinkele, 1432 Cathewinckel,
1455 Katwyngkel, 1455 Katzwyngkel, 1554 Catzenwinkel, 1926 Katwinkel.
Ein anderes Beispiel ist der Katzensee bei Zürich: Der See
wurde
im 6. oder 7. Jahrhundert n. Chr. nach einem Alemannen namens Hatto
benannt. Mit der Zeit verschob sich das «H» zu
einem
«K», und das Gewässer wurde so zum Katto-,
dann zum
Katten- und schliesslich zum Katzensee. (Wikipedia:
Katzensee)
Da auch die 1. Lautverschiebung bzgl. ‚k‘ zu
‚h‘ zur Okkupationszeit anscheinend noch nicht
abgeschlossen war (z. B. Flussname Vacalus --> Vahalis,
Wikipedia:
1. Lautverschiebung),
könnten aus
Kass-
oder
Kess-
auch
Has(s)-
oder
Hes(s)-
geworden sein.
Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Anhöhe
über einer Furt (bzw. über einer der Furten) des
Hilinciweges
über die Ruhr im Süden von Bochum. Dort kommen die
Ortsnamen
Kassenberger
Str.,
Am
Hedtberg und
Hasenwinkeler
Str.
zusammen:

Abb. 1.4-1:
Kollokation eventuell auf die Römer
hindeutender
Ortsnamen in Bochum
Auch eine vom römischen Militär errichtete
Straße könnte nach den Römern benannt
worden sein. Zum Auffinden dieser ehemaligen
Römerstraßen muss man zunächst bestimmen,
wo für die Römer Bedarf für
Straßenbau bestand.
Heidenstraßen
als römische Wege
Entlang von Höhenzügen bei den dicht besiedelten
Gebieten existierten schon beim Eintreffen der Römer in Magna
Germania bedeutende Fernstraßen, die sogenannten
Hochstraßen (Altstraßen, engl. Highway), z. B. der
Haarweg am Rand der Hellwegbörde. Zwischen dem bereits zum
römischen Reich gehörenden Rheinland und
den Okkupationszielen im Weserbergland und im
Thüringer Becken lag jedoch ein Naturraum, der auf Grund
seiner relativ Nährstoffarmen Böden in der Antike nur
sehr schlecht für die Landwirtschaft geeignet war und daher
auch nur sehr dünn besiedelt war, das Sauerland. Auf Grund der
dünnen Besiedlung wären auch die
Versorgungsmöglichkeiten für Fernreisende sehr
schlecht gewesen, es hatten sich daher in der Antike keine bedeutenden
Fernstraßen durch das Sauerland gebildet. Für die
Römer bestand daher die Notwendigkeit, durch das Sauerland
neue Fernstraßen zwischen den Militär- und
Siedlungszentren bei Neuss/Köln und Mainz und der
Hellwegbörde und dem Thüringen Becken anzulegen. Auf
diesen römischen Straßenbau könnten heute
noch die Namen dreier bedeutender prähistorischen
Fernstraßen durch das Sauerland hindeuten: die
Heidenstraße
führt von Köln aus nach Osten in Richtung
Thüringer Becken,
der
Kriegerweg
führt von Siegen nach Paderborn, und der
Römerweg
führt von Bonn nach Brilon. Die Synonymität von
Hethe/Heide = Krieger = Chattuarier = Römer ist also auch in diesem Fall
noch sehr gut zu erkennen.

Abb. 1.4-2: Frühgeschichtliche Fernwege im Sauerland
(Wikipedia), darunter
Heidenstraße,
Kriegerweg
und
Römerweg
Wenn man mit dem Fußgänger-Routing von Google Maps
die
kürzeste Marschdistanz zwischen den bekannten
römischen
Aufenthaltsorten
Köln und
Hachelbich ermittelt, ergibt sich
auch genau der Verlauf der
Heidenstraße
über Wipperfürth, Marienheide, Meinerzhagen, Valbert,
Attendorn, Grevenbrück, Elspe, Bracht, Wormbach,
Schmallenberg,
Gleidorf, Winkhausen, Oberkirchen, Westfeld, Nordenau, Winterberg,
Medebach, Korbach, Kassel und das Eichsfeld:
Google Maps
Fußgängerroute von Köln-Deutz nach
Hachelbich.
Die antiken Quellen bestätigen den römischen
Straßenbau
im Sauerland. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus
berichtet
von Germanicus Feldzug gegen den germanischen Stamm der Marser im
Herbst 14 n. Chr., dass sich die Römer auf dem von
Tiberius
begonnenen Grenzweg durch den Caesischen Wald in Richtung des
Stammesgebietes der Marser bewegten (Tacitus, Ann. I, 50). Daraus kann
man
2 Rückschlüsse ziehen.
Zum Einen war mit dem Caesischen Wald das Sauerland gemeint, da es
zwischen den römischen Garnisonen in Xanten und Neuss, von
einer
der beiden aus Germanicus den Feldzug begann, und dem Siedlungsgebiet
der Marser zwischen oberer Lippe und oberer Ruhr kein anderes
größeres Waldgebiet gab (die Hellwegbörde
war ja
bereits landwirtschaftlich erschlossen, s. Kap. 1.3).
Zum Anderen handelt es sich bei dem von Tiberius begonnenen Grenzweg
wahrscheinlich um den oben beschriebenen
Römerweg,
da dieser vom Rhein aus genau in Richtung des Siedlungsgebietes der
Marser führt.
Hellwege
als
römische Signalwege
Auch der Name '
Hellweg'
reflektiert wahrscheinlich die Anwesenheit der Römer in
Westfalen.
Die meisten Hellwege gibt es in der oder rund um die
westfälische
Bucht, also in dem Teil von Magna Germania, der am längsten
zur
selbigen römischen Provinz gehörte, weil vom Rhein
(Neuss,
Xanten) aus die Erschließung Germaniens begann.
Die
Eigenschaft
'hell' (licht, frei von Bewuchs) oder die Verwendung zum Salztransport
(Hal) haben Hellwege allerdings mit allen anderen alten
Handelsstraßen gemeinsam, das kann also nicht die Bedeutung
von
hell sein.
Auch die Möglichkeit, dass ein Hellweg ein
Hügelweg ist (s.
Kirchhellen
oder engl. 'hill'), und damit eigentlich auch Altstraße
bedeutet, ist auszuschließen.
Zum Einen passen dazu nicht die vielen Hellberge entlang der Hellwege,
wie der folgende an der
Kreuzung von Haarweg/Hellweg und Frankfurter Weg:
TIM-online MiniMap. Ein
'Hügelberg' macht schließlich keinen Sinn. Zum
Anderen verläuft z.B. der westfälische Hellweg im
Gegensatz zu den meisten anderen prähistorischen
Straßen auch gar nicht
über Hügelketten.
Also muss die Häufung der Hellwege in Westfalen, dem Kernland
der römischen Provinz Magna Germania, etwas mit der
Erklärung des Namens zu tun haben.
Durch die
Sparrenberger Egge weiß
man, dass die Römer Wach- bzw. Signaltürme in
Westfalen errichtet haben, da ein einzelner Turm keinen Sinn macht
demnach Signalturmketten, so wie 100 Jahre später auch am
Limes. Die zwischen den Türmen übermittelten Signale
waren sowohl optischer Art (Licht von Fackeln) als auch akustischer Art
(Signalhörner).
Jetzt könnte man sagen, dass es durch das Licht der Fackeln
war
es also ganz schön
hell
entlang der Signalturmkettenwege war. Das
war es nachts sicherlich auch, nur hat das dann kaum jemand gemerkt,
weil die meisten Menschen sich tagsüber auf diesen Wegen
bewegten. Und tagsüber war es entlang der Signalturmkettenwege
vor allen Dingen eines: es war laut. Damit die Übermittlung
der akustischen Signale auch über größere
Entfernungen funktionierte, haben die Signalhörner sehr
großen Lärm produziert.
Wenn man sich nun im
Internet über die ursprüngliche Bedeutung von 'hell'
informiert (
z. B. unter Duden.de),
erfährt man, dass 'hell' mit 'Hall' verwandt ist, und im
Althochdeutschen so viel wie 'tönend' bedeutet. Ein Hellweg
wäre demnach ein 'Hallweg' in der Bedeutung von 'Signalweg'.
Die Hellberge entlang der Hellwege waren die
Hügel, auf denen die Signaltürme standen.
Mit dem Rückzug der Römer aus Germanien nach der
Varusschlacht
endete auch
die akustische Signalübertragung, die Eigenschaft als
Fernstraßen behielten die
Hellwege aber, weswegen ein Jahrtausend später im Mittelalter,
als die eigentliche Bedeutung von Hellweg nicht mehr bekannt war, auch
andere Fern(handels)straßen als Hellwege bezeichnet wurden.
In der folgenden Abbildung ist eine Kette von mit 'Hell-' beginnenden
Orte entlang des Hellwegs südlich von Paderborn dargestellt,
unterbrochen nur von einem 'Turmberg'. Diese Orte reflektieren
wahrscheinlich eine römische Signalturmkette.

Abb. 1.4-3:
Römische Signalturmkette
("Hellweg") südlich von
Paderborn
Den Zusammenhang zwischen Hellwegen und Römerstraßen
kann
man auch sehr gut nördlich von Schwerte erkennen, wo der
Westhellweg über den
Osthellweg in die
Römerstraße
übergeht, hier wahrscheinlich als Verlängerung der
Pontes longi, s. Kap. 2.3.
Nach oben.
1.5
Gallo-romanische Siedler in Magna Germania nach der Okkupation
Die vielen auf die Auxiliartruppen hindeutenden Ortsnamen legen eine
sehr
nachhaltige Beeinflussung nordwestdeutscher Ortsnamen durch die
Anwesenheit der Auxiliartruppen nahe, viel mehr als es durch die
20-jährige Okkupationszeit erklärbar wäre.
Eine
mögliche Erklärung wäre es jedoch, dass die
Angehörigen
der gallo-romanischen Auxiliartruppen rechts des Rheins blieben. Zum
Einen
identifizierten sich die Auxiliartruppen höchstwahrscheinlich
nur
in einem geringen Ausmaß mit dem Imperium Romanum, weil viele
von
ihnen selbst aus besetzten Provinzen kamen, sondern kämpften
vielmehr als Söldner in der römischen Armee. Zum
Anderen die Veteranen der Auxiliartruppen Land gesichert welches sie nicht wieder hergeben
wollten, da sie einerseits in ihren Heimatprovinzen besitzlos waren,
andererseits von ihren germanischen Nachbarn nicht viel zu
befürchten hatten, da sie gute Kämpfer waren und vor
allen
Dingen auch in ihrer Abneigung gegen das Imperium Romanum mit ihren
germanischen Nachbarn vereint waren. Dass sie nach dem Abzug der
römischen Armee keine Steuern mehr an den römischen
Staat
entrichten mussten dürften den gallo-romanischen Siedlern auch
sehr
entgegengekommen sein.
Ein Indiz für die Siedlungstätigkeite von Angehörigen der
Auxiliartruppen im Rahmen der römische Okkupations Germaniens
um
die Zeitenwende liefert der Gau
Haduloha
zwischen Wesermündung und Elbmündung. In
der vorrömischen Eisenzeit (zirka 750 v. Chr. bis 0)
machte
sich ein Siedlungsrückgang auf dem Gebiet von
Haduloha bemerkbar,
der erst kurz vor Christi Geburt in
eine fast
explosionsartige Siedlungsentwicklung umschlug. Hier wurde auch ein in der Okkupationszeit wichtiger Hafen entdeckt: der
Hafen von Nordkehdingen.
So sind auch nach dem Abzug der römischen
Armee noch
eine große Anzahl von romanischen Siedlern (Chattuarier, s. o.) im
rechtsrheinischen
Germanien geblieben und erst nach und nach in den germanischen
Stämmen aufgegangen, auf Grund der
Überschneidung
der
Siedlungsgebiete (der
Hattuariergau
deutet auf die
gallo-romanischen Siedler hin) dann hauptsächlich in den
Stammesverband der Franken. Die Chattuarier behielten ihre
gallo-romanische Kultur jedoch noch lange bei und unterhielten
kulturelle und wirtschaftliche Kontakte in ihre alte Heimat Gallien,
wodurch sie später, nachdem sie in den Franken aufgegangen waren,
wichtige Hinweise für lohnende Ziele im Rahmen der
fränkischen Raubzüge nach Gallien liefern konnten. Eventuell
haben die in verstreuten Siedlungen lebenden Chattuarier, die wie bei
Minderheiten oftmals gegeben untereinander sicherlich gut vernetzt
waren, sogar entscheidende Impulse für die Bildung von
Großstammesverbänden wie dem der Franken gegeben.
Auch in den antiken Quellen finden sich Indizien für den
Verbleib
römischer Veteranen im rechtsrheinischen Germanien. Da die
romanischen Siedler in Germanien nicht isoliert leben konnten und daher
in die Politik Germaniens involviert waren ist es wahrscheinlich, dass
sie auch Bündnisse mit einzelnen germanischen Stämmen
eingingen. Insbesondere die Ausbildung und Kampferfahrung der
romanischen Veteranen dürfte für ihre germanischen
Bündnispartner von Interesse gewesen sein, dieses aber nur
für einen relativ kurzen Zeitraum nach der Okkupation, da die
Generation nach den romanischen Veteranen keine römische
Militärausbildung mehr hatte, sondern nach und nach die
Kampftechnik ihrer germanischen Nachbarn annahm. Für diesen
kurzen
Zeitraum nach der Okkupation berichtet der römische
Geschichtsschreiber Tacitus dann auch vom
Krieg
zwischen Arminius und Marbod
im Jahr 17 n. Chr., dass die Germanen gelernt
hatten,
Feldzeichen
zu folgen, taktische Reserven zu bilden, und den Befehlen der
Kommandanten zu folgen, also in einer römischen
Schlachtordnung zu
kämpfen (Tacitus, Ann. II, 45). In der Antike
wird weder
für
die Zeit davor noch für die Zeit danach von einer derart
fortschrittlichen Kampfweise der Germanen berichtet.
Eine einem keltischen Oppidum gleichende
befestigte Siedlung bei Werne aus
dem späten 1. Jahrhundert v. Chr. in unmittelbarer
Nähe der Römerlager
Oberaden und Beckinghausen ist ein weiteres Indiz für die
Ansiedlung gallo-romanischer Hilfstrupen und deren Familien rechts des
Rheins.
Mit einer gallo-romanischen Koloniesierung Germaniens im Rahmen der Okkupation lassen sich auch Anachronismen wie der
fränkische Töpferofen von Geseke aus dem 6. Jahrhundert erklären. Die Franken waren nicht
schon im 6. Jahrhundert
in Geseke, also lange vor der fränkischen Besiedlung
sächsischer Gebiete im Rahmen der Sachsenkriege, die Franken waren
in Form der Chattuarier
schon seit der Zeitenwende dort. Hinzukommend findet sich auch in Geseke ein den Wortstamm 'catu' beinhaltendes Toponym, der
Kattenweg.
(West-/Ost-)Falen = Valen
= Walen = Welsche?
Der Begriff
Fale
(Falaus) wird zuerst in den ab dem Ende des 8. Jahrhunderts begonnenen
Fränkischen Reichsannalen
verwendet. Dort wird von Kämpfen mit den Sachsen, den
Westfalen
(Westfalai) und den Ostfalen (Ostfalai) berichtet (Wikisource:
Annales Regni Francorum). Der
Begriff
Fale
gleicht jedoch sehr stark dem Begriff
Vale bzw.
Wale, mit dem von
den Germanen Gallier und Romanen (
Welsche)
bezeichnet wurden.
Der Begriff
Vale
findet sich in Ortsnamen wieder, z. B.
Waldorf:
Im Jahre 1157 wird der Ort als
Valendorf erwähnt. Der Siedlungsname bezeugt eine
frühe Besiedlung durch sogenannte Walen oder Valen,
eine römisch-keltische Mischbevölkerung, die nach dem
Ende
der römischen Herrschaft zurückgeblieben war und von
den
Germanen als Wälsche (Fremde) bezeichnet wurde.
Andererseits wurde im frühen Mittelalter auch der Falengau
(Ostfalen,
Astfalahun) mit
Valun bezeichnet:
in pagis Valon,
Devastacio Hungariorum in Valun.
Dies legt die Vermutung nahe, dass im frühen Mittelalter die
Schreibweisen
Fale
und
Vale
gleichbedeutend verwendet wurden. Beispiel hierfür sind die
Orte
- Valwig: In den
ersten Urkunden wird Valwig als „Falavoia“"
(866 n. Chr.), „Falaveia“
(893 n. Chr.) und „Valefayer“ (1130 n. Chr.)
erwähnt.
Man geht allerdings davon aus, dass Valwig schon von Kelten und Römern
bewohnt wurde.
- Fallersleben, dessen Schreibweise
zuerst mit Val- und später dann mit Fal- begann: Jahre 942 erwähnt. Die
Urkunde erwähnt einen Ort namens Valareslebo - das heutige Fallersleben.
- Valbert (an der
Heidenstraße, s. o.): unter
verschiedenen Namen geführt: Wallebrecht, Valbricht, Fahlbrecht,
Vallebert und Vahlbert. Erstmals urkundlich erwähnt wurde
Valbert ... [1072] als Falebreht.
Wenn die Falen aber Gallo-Romanen waren und noch im frühen
Mittelalter von der germanisch-sächsischen
Bevölkerung als
Welsche bezeichnet wurden, müsste sich auch die Sprache der
Falen
von der ihrer Nachbarn unterschieden haben. Dies wird durch den Namen
des ostfälischen Gaus
Valothungo (
in pagis Valedungon
... Walenhuson)
zwischen Wallensen und
Hildesheim bestätigt: mit
valo
=
welsch
und germanisch
tungo
= Zunge = engl.
tongue
= Sprache war Valothungo also der
welschsprachige
Gau. Zum Vergleich aus den mittelalterlichen schwedischen Texten
Eufemiavisorna:
af valske tungo
("from the French language").
Weiterhin berichtet der Benediktinerabt
Nikulás von
Munkaþverá in den Jahren 1149 bis 1154
bei seiner Pilgerreise nach Rom über eine nennenswert
andere Sprache im Gebiet südlich von Minden
(Weserbergland):
"Bei
Stade findet man
den Bischofssitz in der Kirche der Hl. Mutter Gottes. Dann sind es zwei
Tage bis nach Verden. Sodann eine kurze Distanz bis nach Nienburg, dann
kommt Minden, wo der Bischofssitz in der Peterskirche zu finden ist. Hier ändert sich die
Sprache. Dann zwei Tagreisen bis Paderborn.
..." Im Weserbergland kommen auch Ortsnamen wie Heiden, Hessloh,
Hiddenhausen und
Valdorf (1055 Valethorpe) vor.
Weitere Indizien für eine romanisch-sprachige
Bevölkerungsgruppe in Westfalen finden sich in Dietrich
Westhoffs
Chronik zur
Dortmunder Stadtgeschichte aus dem 16. Jahrhundert. In dieser Chronik
beschreibt Westhoff, dass zwischen den Jahren 750 und 768 auf dem
Gebiet des heutigen Dortmund eine Schlacht zwischen Sachsen auf der
einen Seite und Franken
und
Römern auf der anderen Seite
stattgefunden hat:
"Da
nun die Römer und Franzosen der Altsachsen ... gewar wurden
und sich gegen sie aufrichteten, haben die Römer nach
ihrer Art und Gewohnheit mit ihrer italienischen,
lateinischen
oder römischen
Sprache gerufen ..." (OpenLibrary:
Die Chroniken der westfälischen und
niederrheinischen Städte). Der ursprüngliche Ortsname von Dortmund,
Throtmanni,
deutet ebenfalls auf die Nachfahren von im Dortmunder Raum
angesiedelten Hilfstruppen hin. Im dem Altsächsischen
ähnlichen Altenglischen bedeutet
threat u. a. 'Armee' (Altsächsisch
throton),
Throtmanni (Armeemänner) wäre also eine Umschreibung für
Krieger bzw. Soldat gewesen, als altsächsisches Synonym für
das in 1.4 diskutierte
catuuari.
Auch im
Soester Stadtrecht finden sich
Indizien für in der Hellwegbörde
siedelnde
Nachfahren der Auxiliartruppen, es werden explizit
Friesen und Gallier erwähnt:
Preterea iuris advocatis est
hereditatem accipere Frisonum et Gallorum (Art. 13 AK). Auch der
Nachname
Gallicus
war in Soest im 13. Jahrhundert noch verbreitet, z. B.
Winandus
Gallicus.
Die
Thidrekssaga beschreibt auch eine
friesische Bevölkerung in
Soest:
Der Friesenprinz Attila wird König von Hunaland (dem heutigen
Westfalen), und sein Königshof liegt in Susat (dem heutigen
Soest).
Zu untersuchen ist auch die ungleichmäßige
geografische Verteilung des
Nachnamens '
Römer', welche aber
ungefähr übereinstimmt mit Westfalen und Ostfalen.
Auch die
Verteilung des Ortsnamens 'Kattenhagen' bzw. 'Katzenhagen (s. o.) konzentriert sich auf Westfalen und insbesondere Ostfalen.
Des weiteren finden sich auch in Bernburg Hinweise auf galloromanische und später als Welsche bezeichnete Siedler.
Bernburg-Waldau wird 806 zum
ersten Mal als
Waladala
erwähnt, was sich mit
Welschental
übersetzen
lässt (https://de.wiktionary.org/wiki/welsch,
https://de.wiktionary.org/wiki/Tal).
Thoringi/Thüringer
=
Turonen?
Ein weiteres Indiz für den Verbleib von ehemaligen
galloromanischen Hilfstruppen in Magna Germania nach der Okkupation
liefert der Stamm der Turonen.
Die Turonen waren ein gallischer Stamm in der Gegend des heutigen
Tours.
Allerdings berichten die antiken Quellen auch von Turonen, die am
oberen Main gesiedelt haben (Wikipedia:
Turonen).
Eine Erklärung für die Namensgleichheit ist der
Zufall. Eine
andere Erklärung ist es, dass auch in diesem Fall gallische
Hilftruppen mit den Römern nach Germanien kamen und auch nach
der
Okkupation dort blieben, denn auch von den Turonen ist bekannt dass sie
Hilfstruppen für die Römer stellten (Wikipedia:
Turones).
Die gallischen Turonen könnten mit den Römern im
Rahmen der
Okkupation von der Wetterau entlang des ab dem Mittelalter
Via Publica gennanten
Altstraßenkorridors, einer alten Fernhandelsstraße
von der
Nordsee zur Moldau, vorgerrückt sein,
über das
Römerlager Marktbreit bis
an den oberen Main in die Gegend von Bamberg, weil der Main heute bis
dorthin schiffbar ist (Wikipedia:
Main).
Für römische
Prahme mit ihrem geringen Tiefgang
war der Main allerdings wahrscheinlich bis zum Zusammenfluss
von
Weißem Main und
Rotem
Main bei
Kulmbach schiffbar. Bei Kulmbach
findet sich auch ein Ortsname der auf die Turonen hindeuten
könnte,
Thurnau. In direkter Nachbarschaft
zu Thurnau deutet der Ortsnamen
Kasendorf
(frühes 13. Jhdt.
Kazendorf,
1408
Casendorf)
mit dem Ortteil
Welschenkahl
auf Galloromanen im Allgemeinen hin.
Von Kulmbach aus konnte der Anschluss zum ab dem Mittelalter
Via
Imperii gennanten Altstraßenkorridor,
einer alten
Fernhandelsstraße von der Ostsee zum Mittelmer (im Bereich
der Alpen identisch mit der römischen
Via
Raetia),
hergestellt werden. Über die Via Imperii konnten die
Römer
dann in Richtung Thüringer Becken und Magdeburger
Börde
vorrücken, so wie sie dies wahrscheinlich auch vom ebenfalls
an der Via Imperii gelegenen
Legionsstandort Augsburg aus taten.
Entlang der Via Imperii im östlichen Thüringer Becken
und der
Magdeburger Börden fallen viele Ortsnamen auf, die abenfalls
auf
die Turonen hindeuten könnten:
Tornau/Dessau (1215 Thornowe),
Tornau/Gräfenhainichen,
Tornau/Halle,
Tornau vor der Heide /
Thurland,
Tornau/Lützen,
Tornau/Stendal (13. Jhdt.
Tornow),
Torgau (973 Torgove). Da
sich das
Königreich der
Thoringi/Thüringer
ebenfalls vom Main bis östlich der Saale erstreckte ist es zu
überlegen, ob die gallischen Turonen
zumindest Namensgeber
der Thüringer gewesen sein könnten. Dazu Wikipedia
über Turonen und Thüringer:
Somit
könnte der Ursprung des Namens Thüringer (als
Touroner-Turoni-Thoringi etc.) ebenso keltisch sein, wie der ihrer
Namensvettern an der Loire. ... Man vergleiche auch die
Namensähnlichkeit der französischen Region Touraine
mit der
des Freistaats Thüringen.
Im 4. und 5. Jhdt. wanderten Angeln, Warnen und Friesen von Norden in
das von den
Hermunduren wahrscheinlich
verlassene Gebiet des heutigen Thüringen ein (Gaue
Engilin,
Werinofeld,
Friesenfeld) und wurden ebenfalls
Teil der thoringischen Bevölkerung. Im Codex Corbeiensis
heißt es:
"Lex Angliorum et Werinorum hoc est
Thuringorum."
Die Abwanderung der besagten Stämme von der Nordsee
könnte
zum Einen durch eine Klimaverschlechterung verursacht worden sein. Die
Zeit der Abwanderung von der Nordsee lag im Übergang vom
Optimum der Römerzeit zum
Pessimum der Völkerwanderungszeit,
und durch die starke Besiedlung der Gebiete an der Nordsee
(Bevölkerungsexplosion in Haduloha, s. o.) konnte die dortige
Bevölkerung evtl. nicht mehr ausreichend ernährt
werden.
Zum anderen könnten auch kriegerische Auseinandersetzungen und
Flucht der Grund für die Einwanderung von Angeln, Warnen und
Friesen ins heutige Thürigen gewesen sein.
Widukind von Corvey berichtet in
der
Sachsengeschichte,
dass die Sachsen mit Schiffen an den Küsten Hadulohas
(Hadolaun)
gelandet sein, woraufhin sie die ansässigen Thüringer
mit
List und Gewalt vertrieben oder unterworfen hätten.
(Wikipedia:
Geschichte von Hadeln)
Chatten
Die Frage ist, ob der Stamm der Chatten ursprünglich nicht
auch
schlicht und ergreifend Veteranen der Hilfstruppen waren, von den
Römern im ehemaligen Siedlungsgebiet der Sugrambrer
angesiedelt
und von den Römern auf Grund der multi-ethnischen Herkunft mit
dem
Namen bezeichnet den die Bevölkerung im
(nordwesteuropäischen) keltisch-germanischen Grenzgebiet ihnen
gegeben hatte, nämlich 'Chatten' als apokopisch gekürztes 'Chattuarier'.
Noch bei der Einwanderung ins nördliche Hessen, dem
späteren
Kernland der Chatten, hat es sich bei den Chatten um keine sehr
große Gruppe gehandelt: "Im Vergleich zur eingesessenen
Bevölkerung dürfte sich die Anzahl der Neusiedler auf
einige
wenige hundert waffentragende Männer, sowie deren Familien
beschränkt haben." Zudem waren die Chatten ähnlich
ausgebildet wie römische Soldaten: "Wie die römischen
Legionäre führten sie Marschgepäck mit sich,
gehorchten
Befehlen ihrer Heerführer, ständen in fester
Schlachtordnung
und verschanzten sich über Nacht." (Wikipedia:
Chatten)
Bataver
Tacitus berichtet in
Germania (29, 1) dass auch die Bataver (lat. Batavi) eine Gruppierung der Chatten bzw. Chattuartier waren. Mit
bata als einem weiteren keltischen und auch germanischen Wort für Kampf (vergl.
Baduhenna oder engl.
to beat), und
vi als einer Apokope von
viri
als dem keltischen Wort für Männer, hätten wir auch in
diesem Fall wieder die Selbstbezeichnung Kampfmänner bzw.
Kämpfer vorliegen.
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